Das Yijing (I Ging) 易 經  -  Handbuch zur Wahrsagung und Philosophisches Werk

 

Das Yijing (I Ging) 易 經 als Verknüpfung aus einem Handbuch zur Wahrsagung und einem philosophischen Werk gehört zu den bekanntesten klassischen Werken der chinesischen Geistesgeschichte.

Gerade im Hinblick auf seine philosophische Bedeutung hat es eine enge Beziehung sowohl zum Daoismus wie Konfuzianismus und spielt schließlich auch in der Chinesischen Medizin eine ganz entscheidende Rolle.Seit der ersten deutschen Übersetzung durch Richard Wilhelm zählt es zu den bekanntesten Werken östlicher Philosophie und Wahrsagekunst.

 

Die ältesten Funde des Yijing lassen sich bis ins 8. Jh. vor Chr. zurückverfolgen, wo es als Schafgarbenorakel Antworten auf Fragen gab, die im weitesten Sinne mit den Fragen nach der richtigen Regierungsführung in Zusammenhang standen.

Als Wahrsagebuch bedient es sich eines systematisierten kombinatorischen Ansatzes, der auf einer Kombination von Zufall, systematischer Grundlage und Interpretation bzw. Übertragung auf die individuelle Situation basiert.Denn im Unterschied zu vielen anderen Wahrsage- oder gar Weissagemethoden, wo es um eine konkrete Ereignisprognose geht, trifft das Yijing niemals eine konkrete Aussage darüber, was tatsächlich passieren wird. Es zeigt vielmehr die Qualität der gegenwärtigen Situation auf und weist auf die Möglichkeiten hin, wie sie sich aus der gegenwärtigen Position entwickeln können. 

 

Ursprüngliche Bedeutung von Yi 易 

 

Nachdem das Yijing die einzig vollständige Überlieferung der Methode des Schafgarbenorakels darstellt, könnte man vermuten, daß das Schriftzeichen yi易 "Schafgarbe" bedeutet. Doch das Wort yi, welches in der Regel im Sinne von Wandlung übersetzt wird, läßt sich in zwei einzelne Bestandteile zerlegen - ri 日 "die Sonne“ und yue 月 "den Mond", woraus dann ganz allgemein der Wandel bzw. die Wandlung abgleitet wurde, da sich Sonne und Mond im Laufe eines Tages immer abwechseln und dieser Wechsel anscheinend auch niemals aufhört. 

Diese Interpretation ist jedoch historisch betrachtet erst relativ spät entstanden und wird vor allem im Zusammenhang mit dem Yijing selbst erklärt. Anhand der ältesten Aufzeichnungen des Schriftzeichens yi auf den Orakelknocheninschriften (ca 9.Jh.v.Chr.), ist zu erkennen, daß es ursprünglich "ein Weingefäß mit zwei Hälsen" zeigt, weswegen es ihm Sinne von "darbieten, anbieten" bzw. "darreichen, schenken, geben" verwendet wurde. Davon abgleitet ist schliesslich die Bedeutung "austauschen". 

Eine andere Bedeutung des Schriftzeichens yi ist "einfach, leicht". Diese Bedeutung läßt sich auch im Yijing selbst finden, wo der Aspekt der "Leichtigkeit" besonders hervorgehoben wird, denn die Gesetzmäßigkeiten des Yijing und der Wandlung sind nichts geheimnisvolles oder mystisches, sondern sie sind einfach und für jedermann einzusehen. 

Die dritte und letzte Bedeutung von yi ist schließlich das scheinbare Gegenteil der Wandlung - "das Stetige". Mit dem Stetigen ist nicht eine starre Form gemeint, sondern das Stetige sind die immer gleichbleibenden und somit für den Menschen auch erkennbaren Gesetzmäßigkeiten, nach welchen sich die Wandlung vollzieht. Ist es dem Yijing doch ein sehr wichtiges Anliegen, dem Menschen Einsicht in eben diese Gesetzmäßigkeiten zu gewähren, um der Zukunft die Ungewißheit und Gefahr zu nehmen. So ist die Wandlungnicht etwas, das sich unvermittelt und irrational vollzieht, sondern sie nimmt einen bestimmten Verlauf, innerhalb dessen sich die die Tendenzen des Geschehens entwickeln, so wie die die Sonne jeden Tag aufs Neue aufgeht oder die Jahreszeiten immer demselben Ablauf folgen. Das bedeutet das Yijing als das "Buch der Wandlungen" ist leicht zu verstehen und es hilft das Stetige zu erkennen.

 

Die 64 Hexagramme des Yijng 

 

Das Yijing besteht aus insgesamt 64 Hexagrammen, die ihrerseits aus unterbrochenen – Yin – Linien und durchgezogenen – Yang- Linien bestehen. Ferner gibt es zu dem gesamten Hexagramm sowie zu den einzelnen Linien der jeweiligen Hexagramme einen Text. Die 64 Hexagramme als graphische Darstellungen repräsentieren symbolisch 64 mögliche Situationen oder Zustände im Weltgeschehen.

Es mag zunächst fragwürdig erscheinen, das gesamte Weltgeschehen auf 64 einzelne Stadien reduzieren zu wollen, doch werden diese 64 Möglichkeiten nicht als statisch begriffen, sondern als einem ständigen Wandel unterworfen. Denn bereits aus der Veränderung einer Linie ergibt sich ein völlig neues Hexagramm, so daß theoretisch jedes einzelne Hexagramm die potentielle Möglichkeit zur Verwandlung in eines der anderen 63 Hexagramme in sich birgt und dadurch 64 mal 64 verschiedene Möglichkeiten also 4096 Möglichkeiten eingefangen werden.

Wenngleich sich die 64 Hexagramme einfach von der mathematischen Formel 2hoch6 und, wie bereits von Leibniz entdeckt, aus dem Prinzip des binären Zahlensystems ableiten lassen, so birgt die Zahl 64 - gerade in Anbetracht ihrer qualitativen Funktion - eine ganz besondere Bedeutung in der Weltgeschichte. Als Potenzierung der arithmetisch ausgewogenen Acht wurde sie in den meisten Kulturen als glücksbringende Zahl empfunden.  

 

Sie ist die kleinstmögliche Zahl, die Ausdruck eines sich geschlossenen und vollkommenen Systems war. So verkörpert die 64 eine "Spielform par excellence ", wie sie zum Beispiel im Schachspiel mit seinen 64 Feldern repräsentiert wird. Auch die 64 Liebeskünste, wie sie im Kamasutra gelehrt werden, erheben den Anspruch auf ihre Art der Vollkommenheit. Das in sich wohl komplizierteste und vielleicht auch umfassendste System, welches sich durch 64 Möglichkeiten auszeichnet, liegt im Schlüssel zum Leben selbst - dem genetischen Code. Denn alle genetischen Informationen werden durch vier verschiedene Arten von Basen (Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin) zum Ausdruck gebracht, wobei jeweils eine Dreiergruppe von aufeinanderfolgenden Basen - ein Basentriplett - eine Aminosäure kodiert.

Mathematisch gesehen ergeben sich 64 verschiedene Kombinations-möglichkeiten (4x4x4=64) für den Aufbau eines Basentripletts. Diese 64 Möglichkeiten lassen nicht nur durch die Zahl 64 eine interessante Parallele zwischen dem Yijing und dem genetischen Code erkennen, sondern - so die jüngsten Forschungsergebnisse - es weisen auch die Struktur der 64 Hexagramme und der 64 Tripletten des genetischen Codes Gemeinsamkeiten auf. Die Zahl 64 repräsentiert - ob im Yijing oder in Form einer komplexen Struktur wie dem genetischen Code - eine höhere Ordnung, die das Leben eines jeden Individuums wie das gesamte Weltgeschehen zu durchziehen vermag, und ist gleichzeitig Ausdruck der Gesamtheit und Vollkommenheit des Kosmos selbst.